Ziffern hinterm Komma gab und gibt es in meinen Trainingsaufzeichnungen nicht. Ich runde grundsätzlich auf, allein wegen der Höhenmeter, die ich laufe.

Biesfeld/Bergisches Land. 3300 Einwohner. Internationaler Dorflauf. 9,2 Kilometer (244 Höhenmeter). union-biesfeld.triathlon.de 

Biesfelder Dorflauf. Nein, Internationaler Biesfelder Dorflauf! Das ließ mich aufhorchen. Vor vielen Jahren war offenbar ein Läufer aus Kalifornien am Start. Wie und warum er sich ins Bergische Land verirrte, ist nicht bekannt, doch beim Biesfelder Dorflauf war er am Start und gewann. Die Geschichte ist schön, hat aber wohl nichts mit dem Titel zu tun. „Internationaler Dorflauf“ klingt einfach gut und dieses Jahr brauchte es nicht mal einen US-Boy für die Internationalität, es reichte ein Schwabe. 

Auch der Untertitel des Dorflaufs klingt reißerisch: „Flach ist woanders.“ Als Dorflaufkönig könnte ich über „flach“, „hügelig“ oder „bergig“ ein Buch schreiben. Liebe Biesfelder, ich sage mal so: Geht mal in Altweilnau oder Argenthal an den Start, dann nehmt ihr den Subtitel schnell wieder vom Plakat. Doch, und das muss ich hervorheben, weil es sehr selten ist, wir liefen wirklich mitten durchs Dorf. Vier Runden à 2,3 Kilometer, zusammen 9,2. Start und Ziel auf dem Dorfplatz.

Und, ja, darauf sind die Macher besonders stolz und ich muss das erwähnen, sonst darf ich mich nie mehr in Biesfeld blicken lassen: Es ist der schönste Zieleinlauf weit und breit. Schöner als beim Marathon in Hamburg, Frankfurt und Berlin zusammen und auch viel schöner als beim Ironman auf Hawaii. Der Vergleich ist deshalb passend, da der Internationale Dorflauf in Biesfeld von einem Triathlonvereinveranstaltet wird. Das erklärt nicht nur den Ziel­einlauf, sondern auch die Trommelwirbel von „international“ bis „flach ist woanders“.

Triathleten mangelt es von Haus aus ein wenig an Selbstvertrauen, schließlich können sie keine der drei Disziplinen wirklich gut. Wahrscheinlich kompensieren sie das mit Übertreibungen: bei der Technik, beim Outfit und eben beim Zieleinlauf. Das Verrückte nur: Der Dorflauf in Biesfeld war tatsächlich herausragend. Das ganze Dorf war einbezogen, die gesamte Grundschule am Start und am Ende ging das Laufspektakel in ein Dorffest über. Mehr Werbung für unseren Sport geht nicht. Was ein Ding, Kompliment!

Habe ich eigentlich je erzählt, dass ich nach heutigen Maßstäben meine gesamten Trainingsaufzeichnungen umschreiben müsste? Früher (nur sehr ungern benutze ich das Wort, aber was bleibt mir in meinem Alter übrig?), früher also sind wir einfach durch den Wald gelaufen. Ab und an hatte ich eine Stoppuhr am Handgelenk und drückte beim Loslaufen und ­Zurückkommen auf die Uhr. Kein Warten auf die Verbindung zum Satelliten, kein Strato, Strabag oder wie auch immer dieser Treffpunkt im Nirgendwo zum Hochladen und Austausch der GPS-Daten heißt. Ich lief 40 Minuten und es waren 10 Kilometer. Vierer-Schnitt. So einfach war das. Und genau so trug ich es in mein Trainingstagebuch ein. Kilometer für Kilometer. Manchmal mit Randbemerkungen wie „hätte heute fliegen können“ oder „heute Weltrekordwetter“. Doch an der Distanz änderte das letztlich nichts.

Selbst beim fliegenden Dauerlauf mit Weltrekordwetter standen bei 40 Minuten immer 10 Kilometer. Heute stehen da acht. Fünfer-Schnitt. Das passt eigentlich immer, und wenn ich die AK 60 erreiche, stehen da 7 Kilometer. 40 Minuten bleiben eben 40 Minuten. Übrigens, Ziffern hinter dem Komma gab und gibt’s in meinen Aufzeichnungen nicht. Ich runde Kilometer grundsätzlich auf. Allein wegen der Höhenmeter, die ich auf der Alb und rund um Tübingen gelaufen bin beziehungsweise noch laufe. Deshalb gibt es Stimmen, die meinen, ich sei in meiner aktiven Zeit im Schnitt nicht 112 Kilometer pro Woche gelaufen, sondern nur 105. Das kann sein, doch ist das nicht eher ein Grund, sich Gedanken über unsinnige Kilometerumfänge zu machen?

Damit zurück nach Biesfeld ins Bergische Land. Ich lief die 11 Kilometer in sa­gen­haften 39:18 Minuten. Gut, es waren offiziell 9,2, aufgerundet also zehn. Und die 244Höhenmeter? Es waren klare elf.