Am Ende krabbelte ich den steilsten Hang auf allen vieren hinauf und rutschte den Abhang auf dem Hosenboden hinunter. Nein, wirklich, es war großartig.
Altweilnau – Hintertaunus – 809 Einwohner – Wald-Crosslauf. 8,7 Kilometer – 160 Höhenmeter – www.tusweilnau.de
Kaum waren wir auf dem alten Sportplatz von Altweilnau gestartet, setzte ein heftiges Wintergewitter ein. Ein böiger Wind trieb die Schneeflocken quer durch den Wald. Ich lief in eine weiße Wand. Weder konnte ich die nur wenige Meter vor mir Laufenden sehen, noch die hinter mir hören. Die weiße Wand schluckte alle Geräusche. Einzig der pfeifende Wind und das Donnergrollen des Gewitters breitet sich durch den Wald aus. Meine rechte Gesichtshälfte war taub durch die Kälte und als ich auf meine rot angelaufenen Oberschenkel schaute, dachte ich: Was für eine glorreiche Idee mit kurzer Hose zu laufen! So viel zum Wetter in Altweilnau.
Ohnehin hätte ich hinsichtlich des Dorflaufes in Altweilnau misstrauisch werden müssen. Als ich im Sportheim eintraf, wurde ich von drei Männer in verdreckter Arbeitskleidung mit leuchtenden Augen empfangen: „Dieter, schön, dass Du da bist. Wir haben die Strecke präpariert. Alles tipptopp.“ Ich dachte tatsächlich, die leuchtenden Augen galten mir. Ein großer Irrtum, wie ich erst später bemerkte.
Wußten Sie, dass ich ein Crossmuffel bin? Ja, in meinem früheren Leben bin ich „Cross“ gelaufen. Hoch, runter, Schlamm, Matsch, schlingern, rutschen, fallen. Das ist Crosslaufen. Ab 2002 war ich überzeugt: Das brauchte ich nicht mehr. Nun also der Wald-Crosslauf in Altweilnau. Als ich in das Dorf einfuhr, erinnerte ich mich an meine einzige Teilnahme bei einer Cross WM, 1992 in Boston (USA). Altweilnau muss den Vergleich mit Boston keinesfalls scheuen. Überhaupt nicht. Meine Wahl fiel damals auf Boston, weil in den USA Crossläufe meist auf Golfplätzen stattfinden. Trockener, kurz geschnitten Rasen. Ideal also für einen Bahnläufer wie mich. Wie in Boston gibt es in Altweilnau auch einen Golfplatz. Doch leider war die Laufstrecke nicht auf dem Golfplatz. Weder in Boston noch in Altweilnau. In Altweilnau läuft man im Waldstück gegenüber und in Boston bei der Cross WM war nur die Startgerade auf dem Golfplatz, dann ging ich scharf nach rechts in eine Hügellandschaft mit steilen, ach was, steilsten Anstiegen. Und, ja, auch in Boston begleitet uns ein heftiges Schneegestöber. In meinem damals grenzenlosen Selbstvertrauen lief ich die erste Runde mit John Ngugi, dem späteren Weltmeister, in der Spitzengruppe mit. Als wir auf der kurzen Startgerade des Golfplatzes in die zweite Runde einbogen lief ich an erster Stelle, war also der Führender einer Cross WM (!). Zumindest habe ich das genauso in Erinnerung. Ich lag bestimmt eine Sekunde vorne. Mindestens.
Über den Rest des Rennes breite ich einen großzügigen Mantel des Schweigens. Nur so viel: Am Ende krabbelte ich den steilsten Hang auf allen Vieren hinauf und rutschte den Abhang auf dem Hosenboden hinunter. Am Ende wurde ich von einem Läufer der Fuitschi Insel wieder auf die Beine gestellt. Nein wirklich, es war großartig. Genau wie in Altweilnau: Die Strecke ist sehr hügelig, aber kaum erwähnenswert, da es auf der 4,35 Kilometer Runde die „Weilnauer Rampe“ gibt. Dagegen war der steilste Anstieg von Boston flach. Aber Beschreibungen wie „flach“, „hügelig“ oder „steil“ sind subjektiv. Eine Teilnehmerin berichtete mir nach dem Rennen, sie hätte die Weilnauer Rampe gar nicht bemerkt.
Nun, das kann ich von mir nicht behaupten. In der zweiten Runde versuchte ich mit aller Kraft mit einem, zugegeben, nur wage angedeuteten Laufschritt hochzulaufen. Es gelang. (Ein Erfolg nach dem Debakel von Boston) Doch als wäre die Strecke noch nicht hart genug, stolperte ich im Schneematsch an der steilsten Stelle auch noch über drei Baumstämme, die das Aufbauteam dort wunderschön drapiert hatten. Daher also die leuchtenden Augen! (Sie galten nicht mir…..) Schneesturm, Rampe, quer liegende Baumstämme. Altweilnau: Wer nicht dabei war, hat etwas verpasst. Es war ein großartiger Lauf und die drei vom Aufbauteam sind meine neuen Freunde! Es war herrlich.
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