Endlich wieder ein Dorflauf, dachte Dieter Baumann auf der Reise ins beschauliche ­Kuppingen, wobei der eigentliche Name des Laufs ihm doch einiges Kopfzerbrechen bereitete

Kuppingen, Baden-Württemberg. 4140 Einwohner. Mondfängerlauf, 10 Kilometer. www.schoenbuch-cup.de/kuppingen

Vor vielen Jahren durfte ich die Jubiläumsfeier des TSV Kuppingen gestalten. Es gab Geschichten, Gedichte und Zauberei. Das Publikum in Kuppingen war wirklich besonders: Es genügte ein Stichwort von mir, und schon gab es diverse Wortbeiträge und viel Gelächter. Meine Gäste unterhielten sich im Grunde selbst. Es ging hin und her – ein toller, bunter Abend. Am nächsten Tag entdeckte ich in meiner Tasche ein von mir selbst unterschriebenes Mitgliedsformular. Die umtriebigen Vorständler hatten mich durch Zwischenrufe zu einer Wette überredet. Offensichtlich hatte ich diese ver­loren, denn seither bin ich Mitglied des TSV Kuppingen – zahlendes Mitglied wohlgemerkt. Seither bekomme ich unter anderem jedes Jahr eine Einladung zum Mondfängerlauf. Als Mitglied, so hieß es, sei der Start dort umsonst. Als Schwabe werde ich bei so etwas hellhörig. Man versprach zudem Bier und Bratwurst. Der Vorstand höchstselbst würde auflegen (die Bratwurst, nicht die Musik). Nun also hat es geklappt: Im Oktober 2024 bin ich hin.

Tatsächlich dachte ich, der Mondfängerlauf hätte etwas mit dem Mond, speziell dem Vollmond zu tun. Ich war fest davon überzeugt, dass der Lauf immer bei Vollmond gestartet würde. Aber was sage ich: Vollmond? In diesem Oktober war nicht nur Vollmond, es war Supermond! Der Mond hatte den geringsten Abstand zur Erde, erschien uns besonders groß. Und noch ein zweites Ereignis am Himmel zog uns in seinen Bann. Der Komet C/2023 A3 Tsuchinshan-ATLAS mit seinem hell leuchtenden Schweif besuchte uns. „Mannomann“, dachte ich, „da haben sich die Kuppinger aber etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Supermond und Komet.“ Blöd nur, dass der Mondfängerlauf eine Woche früher stattfand als die Himmels­ereignisse und auch gar nicht an diese ­gekoppelt ist. Aber mal ehrlich, im Fall des Kometen ist das vielleicht auch besser so, schließlich müssten wir sonst satte 80 000 Jahre auf den nächsten Mondfängerlauf warten, denn erst dann kommt C/2023 A3 wieder bei uns vorbei … wenn er nicht vorher in die Sonne gestürzt ist.

Ich gebe zu, ich war vermutlich der Letzte, der begriff, dass sich der Name des Laufs auf den Spitznamen der Kuppinger bezog und nicht auf den Mond an sich. Von den Menschen der Nachbargemeinden werden die Kuppinger nämlich „Mondfänger“ genannt, weil sie immerzu Heimweh haben. Egal, wo sie auch sind, sie schauen in den Himmel und trösten sich damit, dass zumindest der Kuppinger Mond mitgekommen sei. Deshalb steht seit der 1050-

Jahrfeier an einem Kreisverkehr im Dorf eine Skulptur, die einen Mond darstellen soll, der „Kuppinger Mau“. Manche sagen, der Mond sehe eher aus wie ein Kürbis. Andere behaupten, es sei ein Smiley, nur in groß. Jedenfalls leuchtet der Kuppinger Mond jedem grellgelb entgegen, der durch den Ort kommt, und zwinkert verschmitzt mit einem Auge.

Dreimal läuft man auf dem 3,3 Kilometer langen Rundkurs am „Kuppinger Mau“ vorbei. Wirklich beeindruckend: Das ganze Dorf scheint am Renntag auf den Beinen zu sein. 4140 Zuschauer! Es gab drei große Stimmungsnester. Eins hatte was von Après-Ski, das zweite ähnelte dem Oktoberfest, beim dritten fühlte ich mich wie bei einer Bergankunft der Tour de France. Gut, mein letzter Oktoberfest­besuch liegt Jahrzehnte zurück, beim ­Après-Ski war ich eigentlich nie dabei, doch das Gefühl einer Bergankunft war es bestimmt. Kurz vor dem „Col de Schanzelbuggl“ stand mit großen weißen Lettern auf der Straße: „Dieter, gib Gummi!“ Das hatte ich noch nie erlebt. Der Mondfängerlauf bot für alle etwas: zum Mit­singen, zum Mitschunkeln und zum ­Mitlaufen. Am Ende gönnte ich mir eine Bratwurst, trank ein Bier (alkoholfrei) und dachte: So müssen Dorfläufe sein!