Vom Wert guter Vorsätze

Unser Kolumnist freut sich noch immer über jede sportliche Herausforderung und nimmt sie gerne an, auch wenn er bei der Umsetzung nicht weniger Probleme hat als unsereins. Und so wagte er zum Jahresbeginn einen Streak.

Ende letzten Jahres stellte mir Chefredakteur Martin Grüning via Kurznachricht eine zunächst unverfänglich klingende Frage: „Bist Du bei #endspurt100 dabei?“ Ich stellte mich blöd und antwortet: „… bin doch erst 57.“ Aber es half nichts. Seine Antwort: „Eine Challenge! 100 km Laufen von Heilig Abend bis Silvester…“. Ach, es war eine Mit-mach-Aktion, in diesem Falle natürlich sinnvoll, weil die Motivationsgeister geweckt werden sollen. Mit Verlaub, bei mir sind die doch immer wach. (deshalb schlafe ich ja so schlecht) Aber erklären sie das mal einem Chefredakteur.

Ich versuchte es zunächst mit einer Ausrede. „Geht nicht, bin Skifahren.“ „Na und?“, war die Antwort. Und: „Darf ich mit?“ Ich schriebe zurück, dass ich ihn zum Bambini Skikurs angemeldet hätte. Um Ruhe zu haben  sagte ich bei seiner #endspurt100 Challenge zu. Leider bemerkte ich den Hacken zu spät, denn mit Blick auf den Kalender wurde mir klar, von Weihnachten bis Silvester ist es ja nur eine Woche. In dieser kurzen (!) Zeit 100 Kilometer? Das habe ich noch nicht einmal vor 30 Jahren geschafft. Ja klar, Martin Grüning, der Marathonmann, 100 Kilometer macht er in zwei Tagen. „Ich ziehe meine Anmeldung zurück“ textete ich.  Als Antwort erhielt ich ein lapidares: „Zu spät. Anmeldung akzeptiert. Skiurlaub absagen.“

„Schaffe nur 47 Kilometer“, schrieb ich. „Mehr geht beim Skifahren nicht“. Um nur annähernd an die 100 zu kommen, schlug ich vor, meine Dauerläufe vor Weihnachten als eine Art Gewinnmitnahme zu werten. Christian Lindner, der neue Finanzminister und vor ihm Olaf Scholz, unser neuer Bundeskanzler, würden das im Wirtschaftsleben ohne wenn und aber akzeptieren, so mein Argument. Grüning lehnte mit dem Satz ab:„Wir Läufer sind ehrliche Leute“.

 Ich sage ja immer, Chefredakteure können so stur sein. 

Natürlich wollte ich das Feld nicht lauflos überlassen. Also lief ich am 24.12. acht, am 25. sieben und am 26. wahnsinnige zehn Kilometer (!) Nach fünf Stunden Skifahren, wohlgemerkt. Nächtliche, kalte, winterliche Dauerläufe. Völlig verrückt. Ich übermittelte Grüning jeden Tag meine Kilometer. Die Antwort nach dem dritten Tag: „25/100 – geht doch. Ich: 54/100.“ Am nächsten Tag war ich zu müde. Deshalb schickte ich ihm ein sehr altes Bild, auf dem mein dick und blau angelaufenen Knöchel zu sehen war. Ich hatte es mal in einem Sommerurlaub aufgenommen, als ich auf einer Wiese in ein Loch getreten war. „Fuß kaputt, laufen unmöglich“. Seine Antwort: „Hör mit dem Skifahren auf“. Dazu sandte er mir die Zwischenstände der Redaktion: „Henning: 100/100, Britta: 63/100, ich: 73/100“. Fantasiezahlen. Mich konnte das nicht beeindruckten. Wirklich. Überhaupt. Nicht.

Am 31.12. meldet ich „64/100 – ich schaffe das noch. Bis 05.01.!“ Daraufhin Grüning: „Das.Schaffst.Du“. Ich war in Sorge und fragte, was mit ihm los sei? „Ich bin immer so freundlich“, seine Antwort. Ich finde gute Vorsätzen zum neuen Jahr wirklich gut, aber muss man denn immer alles übertreiben? Am 05.01. meldete ich „98/100“. Die ersten fünf Tage im neuen Jahr war ich jeden Tag gelaufen. Vielleicht deshalb fiel mir die Januar-Challenge von Runners`s World ins Auge: Streak-Running! „Verbinde die #entspurt100 mit #RWJanuarstreak – jetzt wo ich so drin und drauf und wieder bin“, schrieb ich. Grünings Antwort: „Wunderbar.“ 

Liebe Freunde der Laufkunst, meinen letzen Streak schaffte ich beim Weihnachtsbowling der Sportredaktion des Tübinger Tagblattes. Aber erst beim zweiten Versuch. Jeden Tag Laufen ist viel einfacher. Noch dazu weil schon 1,6 Kilometer dafür ausreichen. Das ist nur Schuhe an und Rhythmus halten, jeden Tag, trali, tralla. Keine Uhr, kein schneller Schritt, nur jeden Tag, trali, trala. Man muss nichts können, nur Disziplin, jeden Tag, trali, tralla. 11 Tage sind geschafft. Ist ja so, wie 100 Kilometer in acht Tagen, tralalala…….