Und wie ich auf der Strecke über Wurzeln, Gräben und Schlammpfützen stolperte, wurde mir klar: In Wirklichkeit war ich nie etwas anders als ein Trailrunner. 

Argenthal (Rheinland-Pfalz). 1636 Einwohner. Argenthaler Adventstrail. 11,8 Kilometer, 290 Höhenmeter

Als ich mich den Hang hinunterstürzte und nur mit großem Glück einen Sturz verhindern konnte, rief ein Zuschauer: „Für Dein Alter sieht du aber noch flüssig aus.“ Damit war ich vollends in der Welt der Trailrunner an.- und aufgenommen. Aber beginnen wir von vorne. Schon bei der Onlineanmeldung stolperte ich über das Wort Trail. „Argenthaler Quarzit Adventstrail“. Ich nahm es nicht ernst. Argenthal ist eine kleine Gemeinde mit 1661 Einwohner. 

Die Läufer aus dem Hunsrück treffen sich wohl schon seit Generationen immer am ersten Sonntag im Advent zu einem Trainingslauf. Irgendwann kamen sie auf die Idee (vermutlich am Lagerfeuer, denn gute Ideen entstehen immer am Lagerfeuer) diesen Lauf zu einem Wettkampf auszuschreiben. 

Und dann standen um mich herum nur Trailrunner. Ja, ich war ein Exote. Ein stinknormaler Läufer. Schlimmer noch: ein Bahnläufer. Natürlich erkannten sie mich. Vermutlich an meinen Laufschuhen, denn ich trug meine flachen Racing Flats. Und sie erkannten mich an meiner Startnummer, denn die hatte ich mit ganz normalen Sicherheitsnadeln auf der Brust befestigt. Richtige Trailrunner machen das niemals. Sie tragen die Startnummer immer (!) An einem Band um den Bauch. „Was machst Du denn hier?“ fragten sie, „den Startschuss?“ „Ich laufe“, gab ich gelassen zurück. Zwei junge Damen in meinem Alter erkundigten sich, was ich laufen würde. „Langstrecke oder Mittelstrecke?“ – „Mittelstrecke natürlich.“ –  „Ach so, du probierst dich noch aus.“ 

Ja, es war eine herzliche Begrüßung. Und wie ich schließlich auf der Strecke über Wurzeln, Gräben und Schlammpfützen stolperte, war mir klar: In Wirklichkeit war ich nie etwas anders als Trailrunner. Durch und durch. Trailrunner. Der Ausflug in den Hunsrück war wie eine Heimkehr, denn in meiner Jugend habe ich genauso trainiert. Am liebsten, wenn es nass und schlammig war. Im Schwäbischen nennen wir das allerdings nicht „Trail“, sondern „Matschwegle“. Mit jedem Kilometer, den ich zurück legte, wurde mir klarer: Ich war schon Trailrunner, als es Trailrunning noch gar gab. Und Berge, fragen Sie? Liebe Freunde des Trailruns, auf meiner Runde hinauf auf die schwäbische Alb, vorbei an der „küssenden Sau“, war es steiler, als das steilste Matschwegle im Hunsrück ist. Phasenweise bin ich im Winter quer über den Acker gelaufen. Da war kein Weg, Pfad, Trail oder Matschwegle, nur knietiefer Schnee, und ich mitten durch. So war das damals. 

Und heute? Argenthal. Ich war in meinen Element. Wie ich über die Matschwegle des Hunsrück geradezu flog,(ich sage nur: Racing Flats!), und über Gräben sprang, (zugegeben nicht in einem Satz), da fiel mir auf, dass wir die Langstreckenläufer überholten, die kurz vor uns gestartet waren. Und da fielen mir wieder die Damen ein. Die Trail-Langstrecklerinnen. Von wegen, „du probierte dich noch aus“. In solchen Dingen bin ich nachtragend. Von hinten kam ich angeflogen, locker, leicht, lächelnd. Ein lässiger Gruß vom Mittelstreckler. „Sehen wir uns bei der Verpflegungsstelle? Da gibt es Weihnachtsplätzchen,“ riefen sie mir hinterher. „Auf der Mittelstrecke macht man keine Pausen“, gab ich zurück und stürzte mich auf dem nächsten Matschwegle den Berg hinunter. Die Organisatoren hatten es extra im Zickzackkurs angelegt. Ich erinnerte mich an meine Jugend, als Trailrun noch Dauerlauf hieß. Genau wie früher in meiner Jugend stürzte ich mich den Hang hinunter. Falllinie. Doch heute, in meinem Alter, bergab? Ein Elend! So kam es, wie oben beschrieben, zum beinahe Sturz und dem Zuruf: „Für dein Alter sieht du aber noch flüssig aus“. 

Ironie oder Motivation? Egal. Der Argenthaler Adventstrail war einfach super. Das „Rundherum“ vom Feinsten. Eine Waldhütte zum Aufwärmen, zwei Zelte für die Startnummerausgabe und die Kuchentheke. Kirschstreusel mit Schmand, schwedischer Apfel, Zimtschnecken und die Nussecken von Frau Müller, ich wiederhole mich: vom Feinsten! Die Strecke: Kleinste Pfade (Trails), Schlamm, Pfützen, bergauf, bergab, Serpentinen. Das Highlight: Die ganze Strecke war mit wunderschönen mit Christbaumkugeln in den Bäumen gekennzeichnet. Hunderte, bunte, glitzernde Christbaumkugeln. Einfach schön.