Die Challenge in 2022. Jeden Monat eine schnelle Fünf. Ich zieh das durch, mit allen Höhen und Tiefen. Das Motto: hau drauf und Schluss.

Bei meiner 5-Kilometer-Challenge Ende September musste ich an meinen Freund denken. Der Spruch „Training ist etwas für Feiglinge“, den ich in einer letzten Kolumne verwendet habe, ist zwar nicht von mir, aber zugegeben, wirklich gut. Diesen Spruch hatte mein Kumpel auf den Lippen, als er zum Berlin Marathon aufbrach. Für 2020 hatte er sich angemeldet, aber das Event fiel aus. 2021 kam er nicht zum Zug, erst 2022 klappte es dann – mit dem Startplatz, leider aber nicht mit der Vorbereitung. 2020 hatte er alles durchgezogen: lange Läufe, Intervalltraining, keine einzige Trainingseinheit fiel aus. Zwei Jahre später hingegen waren es mehr Pausen als Läufe. „Ich laufe trotzdem“, sagte er und haute den obigen Spruch hinterher. 

Übrigens, für meine 5-Kilometer-Challenge in 2022 – es ging und geht darum, jeden Monat einmal fünf Kilometer volle Pulle zu laufen – stehen mir drei Runden zur Auswahl. Die Industriegebietsrunde (topfeben), die Neckarrunde (windanfällig) und  die Spitzbergrunde (hügelig) Für den September-Fünfer wählte ich die schwierigste Strecke auf dem Spitzberg aus. Das mache ich immer dann, wenn ich nichts drauf habe, und im September war das Training wirklich zum Vergessen. 

Der erste Kilometer geht wellig hinauf. Lauf ruhig an, ermahnte ich mich. Rollen, rollen, rollen. Lauf nur so schnell an, wie du kannst, nicht wie du willst. Ich kam an die erste Marke und sah auf die Uhr: 3:40 Minuten. Aua! Nein, mir tat nichts weh, wußte aber, der Schmerz kommt noch. Langsamer! (Wieder die mahnende Stimme). Anderer Schritt, anderen Rhythmus wählen. Der zweite Kilometer, nicht weniger wellig, 3:45 Minuten. Das gib es doch nicht?! Viel zu schnell. Das „Problem“ des dritter Kilometers ist: Es geht immer leicht bergab. Langer Schritt, Nasenatmung. Was kam raus: 3:40 Minuten. War ja klar. 

Mein Freund in Berlin lief auf die ersten zehn Kilometer exakt in einer Sunde. Sechser- Schnitt, seine angepeilte Pace – allerdings für 2020. Vielleicht dachte er, dass er mit dem Startgeld von 2020 auch die Pace von 2020 laufen müsste. Vielleicht dachte er auch an Feiglinge, doch sehr wahrscheinlich dachte er gar nichts. Die Stimmung an der Strecke trug ihn bis Kilometer 20. Durchgangszeit: 1:59:11 Stunden. Er lief wie eine Uhrwerk! Kilometer 25 in 2:30:06 Stunden. Wahnsinn, das Ding läuft, dachte er wohl. Ein Sportreporter würde mit dem Wissen seiner Endzeit sagen: „……aber er ist mutig angelaufen!“

Bei meiner September-Challenge war ich auch mutig angelaufen und über mich selbst einigermaßen entsetzt. Wie bescheuert muss man sein? Der vierte und fünfte Kilometer führten wieder wellig bergan. Ich wußte, was kommt, und stolperte mit Schnappatmung bis zur 5-Kilometer Marke. Ein einziger Kampf und Krampf. 19:11 Minuten. Wie ich so völlig ausgepumpt auf dem Waldboden lag und so verrückter es klingt, ich fühlte mich großartig, dachte ich meinen Freund, an Feiglinge und das mutige Anlaufen. 

Mein Freund lief ab Kilometer 30, salopp gesagt, auf den Felgen. Die Luft war raus. Von 30 auf 40 brauchte er 1:17 Stunden. Aua! Ja, das sind Schmerzen. Während ich bei meinem 5 Kilometer Lauf nur acht Minuten leiden musste, war es bei ihm über eine Stunden. Und dann war er ja immer noch nicht im Ziel. Es wurden von 40 auf 42 sehr lange zwei Kilometer. Nochmals: Aua! 

So kam ich wieder zu mir, lag auf dem Rücken und schaute in die Baumkronen. Gut, dass ich 5000 Meter Läufer bin. Der Leidensdruck über Marathon ist ja kaum auszuhalten. Hau drauf und Schluss ist dagegen die Devise über die fünf Kilometer. Jeden Monat kann ich es erneut probieren. Mein Freund läuft, Feigling hin oder her, sehr wahrscheinlich sehr lange keinen Marathon mehr. Es sei denn er läuft so schnell an wie er kann, nicht wie wie er 2020 wollte oder 2010 konnte.